Lesedauer: 4 Minuten

„Veränderung ist nie für alle gut“

Seit 2020 mischen die Mobility Allstars in der Mobilitätsdebatte mit. Jetzt zünden Vereinsvorsitzender Christoph Werneke und Podcast-Profi Tobias Pusch die zweite Stufe.

RegioSignaleBlog: Mobility Allstars klingt schwer nach Basketball und NBA. Damit habt ihr aber eher nichts zu tun, oder? 

Christoph Werneke: Bei uns im Verein ist vom Fahrrad bis zum Flugzeug wirklich alles vertreten. Aber die NBA, die ist nicht dabei. Der Name ist vor allem aus dem Eindruck heraus entstanden, dass die Verkehrswende viel zu oft schwarz-weiß diskutiert wird. Es gibt die Umweltverfechter auf der einen und die Automobil-Lobby auf der anderen Seite, beide beschimpfen sich permanent, aber es gibt wenig Foren, die eine ausgewogene Diskussion zulassen. Wir sind der Meinung, dass jedes Verkehrsmittel erst einmal grundsätzlich eine Daseinsberechtigung hat. Das gilt auch für den privat besessenen PKW, weil man ohne ihn in bestimmten Lebenssituationen, etwa als Familie auf dem Land, kaum zurechtkommt. Aus diesem Verständnis heraus ist der Name Mobility Allstars entstanden. Natürlich muss man an den Mobilitätsmix ran, um die Verkehrswende zu gestalten. Aber dafür sind nun mal lösungsorientierte Debatten nötig. Dafür wollen wir ein Forum bilden, deshalb Mobility Allstars.  

RegioSignaleBlog: Eurer Website zufolge setzt Ihr dabei vor allem auf Community Building und Vernetzung. 

Christoph Werneke: Wir wollen die Verkehrswende beschleunigen – für mehr Lebensqualität und größere Standortattraktivität in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das wird aber niemandem allein gelingen, weil das eine komplexe Aufgabe ist. Wir brauchen die Politik, die Unternehmen, IT-Anbieter, Stadtplaner und viele mehr. Deswegen sind wir so erpicht darauf, Experten und Expertinnen in unserem Netzwerk zusammenzubringen, einen Meinungsaustausch zu organisieren und lösungsorientiert zu diskutieren. Das Menschliche steht bei uns ganz groß im Mittelpunkt.  

RegioSignaleBlog: Gehört dazu auch der „konstruktive Veränderungsdruck auf Politik und Wirtschaft“, den ihr generieren wollt? Der Begriff taucht mehrfach auf Eurer Website auf, und er gefällt mir sehr. Vermisst Ihr den in der Debatte?  

Tobias Pusch: Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie emotional die Debatte um die Verkehrswende sein darf. Als wir darüber diskutiert haben, kam heraus, dass sie schon emotional geführt werden sollte, weil es ja auch um Verbesserung geht, und das ist erst einmal etwas Tolles. Gleichzeitig muss die Debatte aber auch entdogmatisiert und entideologisiert werden, weil es dabei viel zu oft alle gegen alle geht und keiner dem anderen auch nur den kleinsten Triumph gönnt. Da muss auf jeden Fall mehr Einigkeit her, würde ich sagen.  

Christoph Werneke: In letzter Instanz braucht es auch einen gewissen Mut. Denn die schrillen Meinungen entstehen ja dadurch, dass Mobilität jeden betrifft. Aus demselben Grund ist es aber eben auch sehr emotional. Denn es gibt keine Veränderung auf der Welt, die für alle gut ist. Es wird dabei immer auch einen Personenkreis geben, dem daraus Nachteile entstehen. Deshalb ist konstruktiver Veränderungsdruck wichtig. Denn ohne einen gewissen Druck wird es keine Veränderungen geben. Das erkennen mittlerweile immer mehr Politikerinnen und Politiker, die mutig genug sind, Dinge auszuprobieren und hinterher zu evaluieren, wie sie gelaufen sind. Einige von ihnen hatten wir auch schon in unserem Podcast zu Gast, zum Beispiel Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden oder auch Anjes Tjarks, Hamburger Senator für Verkehr und Mobilitätswende.  

RegioSignaleBlog: Euren Podcast gibt es auch deshalb, weil Präsenzveranstaltungen kurz nach Eurer Gründung wegen der Corona-Pandemie ein No-Go waren. Habt Ihr ihn deshalb anfangs eher internes Kommunikationsprojekt gesehen? Eure Mitglieder sind ja über den gesamten DACH-Raum verteilt. 

Christoph Werneke: Eigentlich war uns vom Start weg am wichtigsten, dass der Podcast so professionell wie möglich ist. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, dass wir Tobias Pusch mit seiner Firma Wortlieferant für uns gewinnen konnten. Gedacht war das Projekt von Anfang für die externe Kommunikation …  

Tobias Pusch: … davon abgesehen gibt es für die interne Kommunikation geeignetere Mittel. Das Thema Mobilität betrifft alle und wir wollen die Leute schließlich erreichen und zur Debatte beitragen.  

RegioSignaleBlog: Christoph, Du hattest ja vorhin völlig zurecht erwähnt, dass Mobilität die Menschen emotional berührt. Ist ein Podcast vielleicht auch das geeignetere Medium, um Emotionen rüberzubringen? Stimme und Gespräch lassen ja oft mehr Zwischentöne zu als ein Text. 

Christoph Werneke: Im Podcast kann man Themen auch mehr Raum geben und sie differenzierter darstellen. Deshalb fällt es vielen sicherlich leichter, Aussagen und Statements zu folgen, denen sie inhaltlich nicht unbedingt zustimmen. Das ist auch wichtig. Denn wir möchten ein umfassendes Spektrum abbilden, sachlich und versiert informieren, aber natürlich gleichzeitig auch die jeweilige Sicht unseres Gastes transportieren. Das sind schon persönliche Meinungen, die da zum Ausdruck kommen. Aber eben auf einer sachlichen und – wie ich finde – vernünftig verdaulichen Ebene. 

RegioSignaleBlog: Trotzdem schlagt Ihr jetzt ein neues Kapitel auf und wollt künftig nur noch Live-Podcasts produzieren. Warum habt Ihr Euch dazu entschieden? 

Tobias Pusch: Live im Sinne von Face-to-Face, ja. Bisher haben wir das nur ein, zwei Mal gemacht, weil es sich so ergeben hat. Aber die Mobility Allstars sind ein ehrenamtlicher Verein, und da kann man nicht mal so von Hamburg für zwei Tage nach München fahren, um Katrin Habenschaden zu interviewen. Das geht einfach nicht, und deshalb haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Jetzt wollen wir aber die Post-Corona-Freiheit nutzen und die seit langem geplanten Veranstaltungen der Mobility Allstars in die Tat umsetzen – und da ist es einfach perfekt, gleich an Ort und Stelle aufzunehmen. Face to Face ist einfach etwas total anderes. Es geht um Atmosphäre, man kann besser und unmittelbarer miteinander sprechen. Es ist jetzt einfach an der Zeit, so ein Format zu realisieren. 

Christoph Werneke: Außerdem dokumentiert der Podcast auch die Entwicklung unseres Vereins. Die ersten Podcasts waren eher informativer Natur, haben unterschiedliche Verkehrsthemen aufgegriffen. Mittlerweile werden wir aufgrund unserer Größe und Bekanntheit von Veranstaltern öfter gefragt, ob wir an Podiumsdiskussionen teilnehmen oder selbst etwas organisieren wollen. Deshalb jetzt auch die inhaltlich andere Ausrichtung des Podcasts. 

RegioSignaleBlog: Mächtig viel passiert in dem doch recht kurzen Zeitraum seit der Gründung. 

Christoph Werneke: Ja und nein. Einerseits sind wir zusammen mit allen Mitgliedern stolz auf das Erreichte. Andererseits treibt uns der Ehrgeiz weiter voran. Schließlich wollen wir die Mobilitätswende beschleunigen – und ich glaube, wir sind noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem wir sagen können, dass wir dazu bisher merklich beigetragen haben. Aber genau da wollen wir hin. 


Weitere Beiträge