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„Eher beamen wir uns, bevor Autos fliegen“

Lutz van der Horst, Außenreporter der ZDF heute-show, hat schon alles und jeden durch den Kakao gezogen. Auch zum Thema Mobilität hat er einiges zu sagen – und ist deshalb zu Gast in unserem Podcast „Ticket to Anywhere“. Im Zusatz-Interview spricht er über Verkehrschaos in Köln, Beruhigung in der Bahn und die Technikgläubigkeit der Deutschen

Interview: Laslo Seyda

Herr van der Horst, Ihrer Heimatstadt Köln wird gerne mal Stillstand auf den Straßen nachgesagt, sie soll kurz vor dem Verkehrsinfarkt stehen. Wie viele Minuten Fußweg ist die nächste verstopfte Kreuzung von Ihrer Wohnung entfernt?

Lutz van der Horst: Drei Minuten. Maximal. An der Venloer Straße, Ecke Kölner Gürtel geht eigentlich immer was – oder eben gerade nichts. Da staut es sich morgens, mittags und abends. Wenn man in Köln wohnt, gehört das aber irgendwie dazu. Die Stadt ist einfach sehr alt, eng gebaut, verwinkelt, für die Menge an Autos heute einfach nicht gemacht. Man muss aber auch sagen, dass sich in den letzten Jahren viel getan hat. Viele Straßen wurden verkehrsberuhigt, auf eine Autospur reduziert, es sind eine Menge Radwege dazugekommen. Alles in allem ist es weniger stressig als vor ein paar Jahren. Das finde ich gut.

Wie sind Sie denn am liebsten unterwegs?

Lutz van der Horst: Tatsächlich fahre ich am liebsten mit der Bahn. Voraussetzung ist natürlich, dass sie auch fährt. Aber wenn, dann ist sie für mich das ideale Verkehrsmittel. Ich muss oft nach Berlin und kann die Zeit perfekt nutzen, um Skripte durchzugehen, Artikel zu lesen, oder mich anderweitig auf Drehs vorzubereiten. Das stetige Rattern und Vorbeirauschen der Landschaft hat für mich was Meditatives, da kann ich mich super konzentrieren. Manchmal werde ich auch mit dem Auto abgeholt, aber darin wackelt’s mir zu sehr. Und das Flugzeug ist nur in absoluten Ausnahmefällen eine Option. Auch wenn es statistisch gesehen das sicherste Verkehrsmittel ist, fühle ich mich in den Dingern überhaupt nicht wohl.

Verkehr ist für viele Menschen ein Reizthema. Kann man darüber überhaupt Witze machen?

Lutz van der Horst: Unbedingt. Wir hatten bei der heute-show mal ein Special zur Bahn. Das beste Comedy-Thema überhaupt. Auf YouTube wurde das Video über drei Millionen angeschaut – das ist mit Abstand unser erfolgreichstes Video. Daran sieht man auch, dass das Thema die Leute beschäftigt und da ist jede Menge Redebedarf. Humor kann helfen, Türen zu einem Thema zu öffnen und eine Debatte aufzulockern.

In diesem Sinne: Glauben Sie, dass das Verkehrsministerium nur schlecht organisiert oder ein künstlerisches Langzeitprojekt zur kollektiven Geduldsprüfung ist?

Lutz van der Horst: Sagen wir mal so: Ich bin auf jeden Fall froh, dass wir keinen CSU-Verkehrsminister mehr haben. Davon hatten wir drei hintereinander und ehrlich gesagt frage ich mich bis heute: Sind die jemals Bahn gefahren? Ich glaube nicht. Anders kann ich mir nicht erklären, warum die Probleme der Bahn so lange ignoriert wurden. Es ist doch schon lange klar, dass man da mehr hätte investieren müssen. Ich bin gespannt, was sich so unter der neuen Bundesregierung tut.

Gibt es irgendwas, das Sie im Laufe Ihrer Arbeit über die Mobilitätsmentalität der Deutschen gelernt haben?

Lutz van der Horst: Ich habe gelernt, dass die Deutschen sehr angespannt sind. Die schreien sich schnell an, hupen wie wild, wenn sie mal kurz nicht vorwärts kommen. Geht das nicht auch netter? In Dänemark zum Beispiel sind die Menschen viel entspannter. Vielleicht, weil die ein Tempolimit haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass Deutschland ein Autoland ist, sich viele noch immer so stark mit ihren Karren identifizieren, dass alle anderen Verkehrsmittel so lange den Kürzeren ziehen mussten. Und auf einmal kommen die Radfahrer:innen um die Ecke und pochen auch auf ihr Recht. Und, zack, gibt es zig Lager, die sich lautstark aneinander abarbeiten: Autofahrer gegen Radfahrer, Radfahrer gegen Fußgänger, Fußgänger gegen E-Scooter. Und alle glauben, dass sie jetzt Vorfahrt haben. Ehrlich gesagt ist da aber keine Seite besser als die andere. Auf dem Weg hierhin wurde ich zum Beispiel auf der Ehrenstraße von einem Radfahrer von hinten weggeklingelt. Dabei ist diese Straße inzwischen eine Fußgängerzone. Sowas bringt mich auf die Palme. Wo bleibe ich als Fußgänger denn zwischen all den Straßen, Parkplätzen und Radwegen? Es kommt also immer auch auf die Perspektive an, die man gerade so einnimmt. Ich finde, wir alle sollten mal mit etwas mehr Gelassenheit unterwegs sein, mehr Geduld und Verständnis mit anderen haben.

Was wünschen sie Sie sich noch für die Fortbewegung der Zukunft?

Lutz van der Horst: Ich möchte Autos nicht komplett abschaffen. Das wäre Quatsch, gar nicht zu machen, auch nicht sinnvoll. Aber weniger Autos wären schon schön. Es ist einfach zu viel los auf den Straßen.

2019 haben Sie bei einer Flugtaxi-Premiere gedreht. Ist das vielleicht eine Lösung?

Lutz van der Horst: Ich halte das Konzept von Flugtaxis für eine komplette Ente. Das manche diesem Szenario immer noch hinterherträumen, hat auch was mit dieser typisch deutschen Technikgläubigkeit zu tun. Statt endlich mal genügend Geld in die Infrastruktur und ein vernünftiges ÖPNV-Angebot zu stecken, träumt man von fliegenden Autos. Da hat uns „Zurück in die Zukunft“ ganz schön was eingebrockt. Eher beamen wir uns, bevor unsere Autos fliegen.

Lutz van der Horst, 50, ist seit 2009 ist als Außenreporter für die ZDF heute-show unterwegs. Ziel seiner scharfen Pointen waren dabei nicht nur die Bahn, sondern auch marode Autobahnbrücken und E-Mobilität in Deutschland. Wenn er mal mit dem Auto unterwegs ist, lässt er aber lieber andere hinters Steuer. Obwohl er einen Führerschein hat, fährt van der Horst seit mehr als 20 Jahren kein Auto mehr. Die Aggression im Straßenverkehr sei im einfach zu viel, so der Satiriker. Alle Infos zu „Ticket to Anywhere“ und die Links zur Folge mit Lutz van der Horst findet Ihr hier.

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