Lesedauer: 4 Minuten

„Wir bringen Ideen in die Fläche“

Verkehrswende braucht Innovationen. Katja Machatsch sorgt bei DB Regio dafür, dass es auf der Reise von der Idee zum Produkt zügig vorangeht.

RegioSignaleBlog: Frau Machatsch, Sie leiten bei DB Regio seit 2021 die Produktinnovation und seit Anfang dieses Jahres auch das Produktmanagement. Wo hört das eine auf, wo fängt das andere an? 

Katja Machatsch: Innovations- und Produktmanagement greifen bei mir ineinander, weil der Fokus in beiden Fällen auf dem Fahrgast und seinen Bedürfnissen liegt. Daraus ergibt sich die Frage, wie wir unseren Fahrgästen das gewünschte Kundenerlebnis ermöglichen. Also schauen wir einerseits, wie wir die Prozesse, die zu diesem Kundenerlebnis führen, im Rahmen der Produktinnovation verbessern können. Das bedeutet häufig: Automatisieren, digitalisieren und an die Bedürfnisse der Umwelt anpassen. Andererseits wollen wir die Produktverbesserungen, die daraus resultieren, einführen, ausrollen und skalieren, um die Verkehrswende gemeinsam mit unseren Partnern voranzutreiben – und sind dann schon mitten im Produktmanagement. 

RegioSignaleBlog: Ein Geistesblitz allein genügt selten. Wie werden Innovationsprojekte identifiziert und priorisiert?  

Katja Machatsch: Am Anfang steht ein Suchfeld, eine Herausforderung oder auch ein technologischer Ansatz. Erscheint eine Technologie vielversprechend, startet ein Innovationsprozess damit, dass wir überlegen, ob und wie sie sich für unsere Bedürfnisse nutzen lässt. Die Kooperation mit der DB Mindbox und Startups beginnt hingegen damit, dass wir ein Suchfeld definieren. Im Rahmen der ZukunftNahverkehr haben wir beispielsweise gemeinsam Startups ausgewählt, die auf das Suchfeld „integrierte Mobilität“ einzahlen. Dafür wurden internationale Startups rekrutiert, die passende Lösungen anbieten, wie AmberSearch mit der KI-gestützte Informationsbeschaffung für den Kundendialog oder NaviLens mit der Navigation für Seheingeschränkte Reisende mit Hilfe barrierefreier QR-Codes.  

RegioSignaleBlog: Wie attraktiv ist DB Regio für die Startup-Szene? 

Katja Machatsch: Die DB ist für alle, die Verkehrswende und Nachhaltigkeit wichtig finden, eine attraktive Partnerin. Wir haben täglich Kontakt zu rund vier Millionen Fahrgästen. Das heißt, alles, was bei uns eingeführt wird, verbessert die Lebensrealität und leistet einen sinnstiftenden Impact. Wir sind also ein Magnet mit Anziehungskraft!  

RegioSignaleBlog: Wie vertragen sich Startup- und Konzernkultur? „Fail fast“ klingt zwar fancy, aber man will ja auch Resultate sehen. 

Katja Machatsch: Es funktioniert gut, weil wir genau deshalb das 100 Tageprogramm haben. Innerhalb dieser Zeitspanne muss ein Startup zeigen, dass die Lösung im DB-Kosmos funktioniert – was mit Blick auf den Datenschutz und die Integration in eine App nicht gerade trivial ist. Danach werten wir mit ihnen das Ergebnis aus und schauen, ob wir gemeinsam weitermachen wollen. Mitunter kommt dabei dann heraus, dass wir einem Projekt noch einmal mehr Zeit geben und es beispielsweise in einer Region pilotieren, um bewerten zu können, wie es in der Fläche funktioniert und ob wir es bundesweit skalieren wollen.  

RegioSignaleBlog: DB Regio betreibt bereits seit einigen Jahren ein eigenes Innovationsmanagement. Was läuft heute anders als früher? 

Katja Machatsch: Ausgangspunkt war für uns immer die hundertprozentige Kundenzentrierung. Denn die Innovation wird nur dann erfolgreich, wenn sie im Sinne der Kunden gestaltet wird. Das ist heute genauso wie 2017 in der Anfangszeit des Innovationsmanagements bei DB Regio. Damals stand die Schiene im Fokus. Heute schauen wir deutlich weiter – nämlich auf die integrierte Mobilität und die sinnvolle Verknüpfung aller Modis, um ein gutes Reiseerlebnis zu gestalten. Mit diesem Schritt etablieren wir zugleich ein Innovationsmanagement 2.0. Zudem ist für mich die partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Branche ein Garant für ein Innovationsmanagement, was auch wirklich beim Fahrgast ankommt. Deshalb machen wir gemeinsame Sache, wenn es um die Entwicklung der Auslastungsinformation oder der Reisendeninformation in den Fahrzeugen geht. Kundenzentrierte Einheitlichkeit führt zu mehr Einfachheit und damit zur Verkehrswende! 

RegioSignaleBlog: Was waren denn die entscheidenden Etappen auf Ihrer Reise Richtung Innovationsmanagement 2.0? 

Katja Machatsch: Wir haben auf unserem Weg von 2017 bis heute natürlich auch einige methodische Experimente durchgeführt und daraus unsere Erkenntnisse abgeleitet. Der Innovationstag, der dieses Jahr zum 7. Mal stattfindet, hat sich bewährt. Denn hier kommt die gesamte Innovationspower des DB-Konzerns zusammen, vernetzt sich und baut die Innovationskultur aus. Andere Formate wie Intrapreneurprogramme oder Formate à la Höhle der Löwen haben ihren kurzweiligen Charme, haben aber nicht überdauert. Denn meist haben wir kein Ideenproblem, sondern eher Herausforderungen bei der Lösung von Problemen. Dafür eignet sich dann ein Design-Sprint à la Google bei denen Expert:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen fünf Tage zusammenkommen, um eine konkrete Fragestellung zu beackern. Das bisher größte Testfeld der Innovationen haben wir beim Ersatzverkehr Nürnberg – Würzburg umgesetzt. Ziel war es, ein bisher stiefmütterlich betrachtetes Produkt aus der Schmuddelecke zu befreien. Dies ist uns mit einem grundlegenden Neuaufsatz von der Fahrgastinformation über den Bus bis hin zur Wegeleitung gelungen. Beispielsweise haben wir hier eine Co-Creation-Plattform, dbregioidee.de, eingeführt, mit der wir Anregungen, Ideen und Feedback von Kunden einholen oder aber auch die DB-Wegbegleitung, die Videocall-Begleitung für die Wegeführung blinder und sehbehinderter Fahrgäste.  

RegioSignaleBlog: Wenn sich Innovationen durchsetzen, will sie jeder haben. Bis es so weit ist, will sie keiner bezahlen. Gleichzeitig fordert die Verkehrswende ein hohes Innovationstempo ein. Zeichnet sich ein Ausweg ab?  

Katja Machatsch: Innovationen stehen heute noch kaum in einem Verkehrsvertrag und Geld gibt es dafür erst, wenn sie von den Aufgabenträgern bestellt und bezahlt werden. Gleichzeitig vergeht oft viel Zeit, bis klar ist, ob sie sich bewähren. Bis Innovationen wie der virtuelle Zug oder die Auslastungsinformation und –prognose bundesweit in der Fläche sichtbar werden, vergehen schnell mal fünf Jahre, in denen man sich die wachsende Reichweite hart erarbeiten muss. Wir werden also zusätzliche Mittel für die Finanzierung generieren müssen, um künftige Innovationen finanzieren zu können. Deshalb wird beim Innovationsmanagement bald auch das Fördermittelmanagement eine wichtige Rolle spielen.  

RegioSignaleBlog: Welche Bedeutung haben Innovationsbudgets in diesem Szenario? Die Branche verspricht sich viel davon.  

Katja Machatsch: Es gibt wenige Vergaben, in denen Innovationsbudgets vorgesehen sind und wenn, sind die Beträge meistens vergleichsweise niedrig. Gleichzeitig weiß heute aber niemand, was in fünf bis zehn Jahren technisch möglich und vom Kunden nachgefragt sein wird, weshalb man es auch nicht mit langen Vorlauffristen in die Verkehrsverträge hineinschreiben kann. Von daher finde ich es total wichtig, dass es nicht nur mehr Innovationsbudgets, sondern vor allem auch mehr Freiheit bei ihrer Inanspruchnahme gibt. Aber letztlich sind die Mittel überall knapp und Aufgabenträger müssen sich dann entscheiden, ob sie in eine zusätzliche Zugverbindung oder ein besseres Kundenerlebnis investieren. Das muss man dann austarieren. 

RegioSignaleBlog: Was würden Sie sich mit Blick auf die bestehende Innovationsumgebung denn wünschen, wenn die berühmte Fee mit den drei freien Wünsche vorbeikäme? 

Katja Machatsch: Ich würde mir vor allem wünschen, dass wir als Branche die Verkehrswende einfacher, schneller und entschlossener umsetzen, statt an Dingen festzuhalten, die völlig aus der Zeit gefallen sind. Bestes Beispiel dafür sind gedruckte Streckenfaltfahrpläne. Sie werden teilweise unverändert von Aufgabenträgern bestellt, obwohl sie wegen der stetigen Veränderungen im Fahrplan dem Fahrgast keine Stabilität bieten, nicht echtzeitfähig und vor allem aus ökologischen Erwägungen nachteilig sind. Daran sieht man: Wir brauchen vor allem mehr Mut zur Veränderung, mehr Innovationsbereitschaft und einen langen Atem. 


Weitere Beiträge