RegioSignaleBlog: Herr Friedel, wer einen Marktüberblick über die Entwicklung neuer Mobilitätsformen in Europa und der Welt sucht, kommt an Ihrem persönlichen Linkedin-Account mit weltweit fast 28.000 Follower:innen nicht vorbei. Aber wahrscheinlich hat auch das mal klein angefangen. Wie?
Augustin Friedel: Angefangen hat das 2012, seit ich im Mobilitäts-Ökosystem aktiv bin. Zuerst hatte ich einen Blog auf Deutsch, seit gut sechs Jahren kommuniziere ich über Linkedin und auf Englisch. Das ist peu à peu gewachsen, zusätzlich zu meinem Job. Weltweit passiert ungeheuer viel im Mobilitätssektor – Elektrifizierung, Software Defined Vehicles, autonomes Fahren, Mobility Services. Das zu verfolgen und nachzuvollziehen ist für mich Passion, das ist persönliche Leidenschaft.
RegioSignaleBlog: Sie stellen im Wesentlichen Informationen in Form von Charts und Übersichten zur Verfügung und zur Diskussion. Genießt Ihr Linkedin-Account Kultstatus, obwohl oder gerade weil es da eher nüchtern zugeht?
Augustin Friedel: Ich denke, der Haupttreiber ist, dass ich guten Content teile und mit dem, was ich publiziere, eine Lücke fülle, die sonst so nicht bedient wird. Ich lege den Fokus auf Zahlen, Daten und Fakten. Ich versuche, Narrative zu hinterfragen, Trends nüchtern einzuordnen und so einen Ankerpunkt zu schaffen. Dafür gibt es bei mir keine lustigen Katzenbilder und Persönliches bleibt außen vor. Abgesehen von Emojis versuche ich immer, die sachliche Ebene zu wahren, es geht strikt ums Thema. Das scheint ganz gut anzukommen in einer Welt, in der man häufig mit Narrativen und bunten Ankündigungen bombardiert wird.
RegioSignaleBlog: Spannend sind die Diskussionen, die sich dann entfalten …
Augustin Friedel: Auf jeden Fall. Die Community trägt oft zusätzliche Informationen bei, was ich super finde, und ich lerne auch dazu. Es ist mir schon ein Anliegen, mitzudiskutieren und die Meinungen der anderen zu hören.
RegioSignaleBlog: Sie arbeiten bei der Management- und IT-Beratung MHP, die zu Porsche gehört. Den Namen wird man künftig schon deshalb oft hören, weil MHP die Namensrechte für die bisherige Mercedes-Benz Arena in Stuttgart übernommen hat. Hat das auch symbolisch Bedeutung – weg von einem Autopionier, hin zu digitalen Plattformen und Mobility as a Service?
Augustin Friedel: Diesen Zusammenhang würde ich so unmittelbar nicht herstellen. Die MHP hat weltweit rund 4.000 Beschäftigte und ist schon lange nicht nur im Bereich Automotive unterwegs, sondern in vielen Industrien und in vielen Themen. Mobility Services ist ein Teil davon. Wir haben ein im Maßstab des Unternehmens eher kleines, aber schlagkräftiges Expertenteam aufgestellt und leisten in einem dynamischen Wachstumsfeld sehr gute Arbeit.
RegioSignaleBlog: Der Keynote, die Sie im September bei ZUKUNFT NAHVERKEHR halten werden, wollen wir nichts vorwegnehmen. Aber trotzdem: Wie geschockt waren Sie, als sich die Pariserinnen und Paris im April in einer Bürgerbefragung für ein Verbot des E-Scooter-Verleihs ausgesprochen haben? Der wird nun zum 1. September eingestellt.
Augustin Friedel: Für die Medien war das ein gefundenes Fressen und die Branche hatte eine schlechte Presse. Aber geschockt war ich nicht. Der Impact für die Stadt und die Mobilitätswende ist ja gering. Auf den Modal Split hat das keinen spürbaren Einfluss, es gibt in Paris genügend Alternativen, sich nachhaltig fortzubewegen. Die rund 15.000 Scooter, um die es geht, werden die Anbieter in anderen Städten unterbringen und dafür das Fahrrad-Angebot ausbauen, das in Paris sowieso eine viel größere Rolle spielt.
RegioSignaleBlog: Welchen Impact hat Micromobilität denn überhaupt für die Mobilitätswende?
Augustin Friedel: Das ist grundsätzlich schon ein sehr wichtiger Hebel, weil sie das Angebot nachhaltiger Mobilität in den Städten bereichert und die Attraktivität steigert. Beim Modal Split fällt allerdings nur das Fahrrad wirklich ins Gewicht. Der Anteil bewegt sich in großen Metropolen inzwischen oft im zweistelligen Prozentbereich, mit Tendenz nach oben. Da geht es allerdings überwiegend um das eigene Fahrrad. Der Sharing-Anteil ist bei der urbanen Mobilität noch ziemlich gering. Das gilt auch für Carsharing und Ridehailing-Services wie Uber.
RegioSignaleBlog: Wie bewegen Sie sich persönlich fort?
Augustin Friedel: Wir wohnen am Stadtrand von Berlin, mein Hauptverkehrsmittel ist das Fahrrad. Wenn ich nach Berlin rein muss, dann mit der S-Bahn und so selten wie möglich mit dem Auto. Allerdings haben wir drei kleine Kinder – ganz auf das Auto zu verzichten geht als Familie auch nicht immer.