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„Ausschlaggebend ist das politische Commitment“

Frank Niggemeier-Oliva leitet das kommunale Verkehrsunternehmen in Monheim am Rhein und ist voll des Lobes über seine Stadt: Sie ermöglicht ein ÖPNV-Angebot der Extraklasse.

RegioSignaleBlog: Ein sehr gut ausgebautes Stadtbusnetz, Sharing-Bikes, autonome Shuttles, das alles für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos: Was die Bahnen der Stadt Monheim bieten, hätten viele Städte gern. Was ist das Geheimnis, Herr Niggemeier-Oliva? 

Frank Niggemeier-Oliva: Das Geheimnis sind der Innovationsgeist und die Zielstrebigkeit, mit denen die Stadt Monheim am Rhein die Region für alle zu einem lebenswerteren Standort machen will. Jede Bürgerin und jeder Bürger wird in Monheim am Rhein als Kundin und Kunde verstanden. Für sie will die Stadt das Optimum rausholen. In so einem Umfeld gedeiht dann auch ein Mobilitätsangebot wie unseres.  

RegioSignaleBlog: Den kostenlosen Nahverkehr in Form des Monheim-Passes für die Bürgerinnen und Bürger gibt es in Monheim am Rhein seit April 2020. Wie kam es dazu?  

Frank Niggemeier-Oliva: Die ersten Ideen dazu wurden schon 2017 entwickelt. Aber es war klar, dass man allein damit die Menschen noch nicht in den Bus holt. Deshalb hat die Stadt Geld in die Hand genommen und vorab das Fahrplanangebot um 35 Prozent erhöht, was eine Mammutleistung war. Im zweiten Schritt haben wir besprochen, wie man den kostenlosen Nahverkehr tariflich umsetzen kann. Das müssen wir, weil wir in den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr integriert sind. Für Monheim am Rhein ist dann ein eigener Tarif geschaffen worden, für die kostenlose Nutzung durch ihre Bürgerinnen und Bürger zahlt die Stadt auf der Basis von Fahrgasterhebungen einen Ausgleichsbetrag an den VRR.  

RegioSignaleBlog: Die Stadt lässt sich das also eine Menge kosten.   

Frank Niggemeier-Oliva: Für Monheim am Rhein sind ein gutes ÖPNV-Angebot und klimafreundliche Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger einfach essenzielle Anliegen. Und genauso wichtig wie das Geld ist ja die Frage der Prioritäten. Wenn Mittel da sind, heißt das doch noch lange nicht, dass sie auch für den ÖPNV ausgegeben werden. Und wenn man immer wieder hört, dass für den ÖPNV die Mittel fehlen, sagt das auch was über die Prioritäten. Nahverkehr ist eben immer auch ein Verteilungsthema.  

RegioSignaleBlog: Monheim am Rhein will die Verkehrs- und Klimawende. Wie schlägt sich das in der Entwicklung der Nutzer- und Fahrgastzahlen nieder?  

Frank Niggemeier-Oliva: Der Start fiel leider ganz genau in den Beginn der Corona-Zeit. Das hat den Effekt natürlich zunächst einmal verzerrt. Inzwischen zeigen die Daten, die die RWTH Aachen für uns erhebt, dass wir die Zahlen vor Corona übertreffen. Wir sehen, dass sich der motorisierte Individualverkehr zum Teil auf den ÖPNV verlagert hat und sozial schwächere Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV jetzt viel stärker in Anspruch nehmen. Wir machen es unseren Kundinnen und Kunden auch extrem einfach. Mit dem Monheim-Pass kann jeder gleich einsteigen, ohne zu überlegen und ohne ein Ticket kaufen zu müssen. Das hat auch das städtische Leben spürbar verändert.  

RegioSignaleBlog: Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?  

Frank Niggemeier-Oliva: Wir haben uns 2019 eine Unternehmensstrategie gegeben, daraus leiten sich unsere Ziele ab. Wir wollen kundenfokussiert sein, den Klimaschutz vorantreiben, wir wollen innovativ sein und wir legen einen Schwerpunkt auf Digitalisierung. Wir sind kundenfokussiert, weil unser Angebot zu den Bedürfnissen der Menschen passen soll. Dafür nutzen wir zum Beispiel Kundenlabore und schauen uns jedes Jahr an, ob das Liniennetz so noch den Bedarf abdeckt. Wir wollen bis 2025 klimaneutral sein und stellen unsere Flotte um – für kürzere Umläufe auf Elektrobusse, für längere auf Wasserstoffbusse. Beim autonomen Fahren gehören wir mit unseren Altstadtstromern zu den innovativen First Movern und wir wollen auch zu den ersten gehören, die mit Level 4 ohne Fahrtbegleiter unterwegs sind. Das Thema Digitalisierung durchzieht eigentlich alle Bereiche. Aber wichtig für uns ist, dass wir nicht einfach analoge Prozesse digital abbilden, sondern durch die Digitalisierung Prozesse besser machen. Die Automatisierung des Betriebshofs, die wir uns vorgenommen haben, geht genau in diese Richtung.  

RegioSignaleBlog: Eigentlich müssten Verkehrsexperten und Kommunalpolitiker in Scharen zu Ihnen kommen, um zu sehen, was in Monheim am Rhein alles geht. Tun sie das?  

Frank Niggemeier-Oliva: Wir haben häufig Besuch, Dinge zu teilen ist ja auch wichtig. Wir zeigen gerne, was wir machen, gerade im Bereich autonomes Fahren. Wir werden auch oft eingeladen, etwa von anderen Städten, Klimaräten oder auch Verbänden, und mit verschiedenen Ministerien sind wir ebenfalls im Kontakt.  

RegioSignaleBlog: In Monheim am Rhein leben etwas mehr als 40.000 Bürgerinnen und Bürger. Ist in kleineren Städten ein konsequenter Ausbau des ÖPNV besser umzusetzen als in Großstädten?  

Frank Niggemeier-Oliva: Eigentlich ist nicht die Größe ausschlaggebend, sondern das politische Commitment. Aber dass die Bahnen der Stadt Monheim ein mittelständischer Betrieb sind und kein Riesenunternehmen, ist auf keinen Fall ein Nachteil. Bei uns ist im Grunde jeder ein Experte, die Führungskräfte sitzen ganz nah am Betrieb und nicht in Konzernzentralen, jeder packt mit an und die Leute wissen, für was sie sich einsetzen.  

RegioSignaleBlog: Sie offenbar auch. Sie sind seit 2021 Geschäftsführer und kommen als Informatiker eigentlich nicht aus der ÖPNV-Branche.  

Frank Niggemeier-Oliva: Vielleicht ist das ja auch ein Vorteil. Ich habe schon vieles gemacht, war in der Beratung tätig, auch international. Für mich war aber immer wichtig, zu dem zu stehen, was ich tue. Das Thema Mobilität hat so viel Sinn für die Gesellschaft – den Job muss man einfach lieben.  


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