RegioSignaleBlog: Ich fahre seit Jahren täglich mit dem Rad ins Büro, bisher aber immer ohne Eure App. Muss ich mich jetzt ärgern, weil mir schon ganz viele Prämien durch die Lappen gegangen sind?
Sven Hubbes: Nicht wirklich. Wir sind erst seit einigen Monaten so weit, dass wir Fahrrad- und Fußwege und alle anderen Mobilitätsformen erfassen können. Davor ging das nur bei Bus und Bahn.
RegioSignaleBlog: Was macht die LynesApp genau und wie funktioniert sie?
Sven Hubbes: Manche Leute haben die App schon als „Payback für klimaschonende Mobilität“ bezeichnet. Wie auch immer: Wir belohnen dich, wenn du dich klimaschonend fortbewegst. Egal, ob mit Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß: Du bekommst für jeden Kilometer Punkte gutgeschrieben, die Du dann innerhalb der App in Rabattcodes oder Vergünstigungen bei unseren Partnern – die meisten von ihnen Onlinepartner für ganz Deutschland – eintauschen kannst. Darüber hinaus bieten wir seit kurzem über unsere App das Deutschlandticket an und erfassen die Emissionen Deiner gesamten Mobilität. Also auch Autofahrten, die aber natürlich nicht bepunktet werden. Die Idee dahinter ist, dass wir Menschen Einblicke bieten möchten, wie sich die Wahl eines Verkehrsmittels auf die Umwelt auswirkt.
RegioSignaleBlog: Wenn ich Eure jüngsten Ankündigungen richtig deute, wollt Ihr es aber nicht beim Rabatt belassen. Was habt Ihr noch vor?
Sven Hubbes: Wir wollen das Thema Gamification angehen und die Möglichkeit schaffen, sich mit anderen zu vergleichen. Aktuell denken wir in Richtung Rankingsystem, bei dem man Extrapunkte sammeln und in höhere Level aufsteigen kann, wenn man bestimmte Mobilitätsherausforderungen schafft. Solche Anreize sind essenziell, um die Leute am Ball zu halten. Allerdings kommen wir mit der Entwicklung und Umsetzung nicht so schnell voran, wie wir gerne würden, weil wir aktuell noch zu zweit sind.
RegioSignaleBlog: Trotzdem hat die Idee großen Charme. Kommen spielerische Ansätze in der Debatte um die Mobilitätswende zu kurz?
Sven Hubbes: Zumindest in erster Linie geht es uns mit der App gar nicht darum, die Leute vom Auto weg- und zu komplett nachhaltiger Mobilität hinzubekommen. Viel wichtiger ist uns, ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Emissionen das eigene Mobilitätsverhalten nach sich zieht. Das wissen nämlich nur wenige – und wir wissen es auch erst, seit wir das Emissionstracking in unserer App integriert haben. Jedenfalls waren wir völlig erstaunt, wie viel Schadstoffe wir ausstoßen, wenn wir mit dem Auto unterwegs sind. Die App ermöglicht also eine neue Denke, und deshalb sind wir schon froh, wenn die Leute sich einfach mal überlegen, dass es einen Unterschied macht, ob sie am Wochenende mit dem Auto, dem Bus oder dem Fahrrad in die Stadt fahren …
RegioSignaleBlog: … und da kommen dann Eure Incentives ins Spiel?
Sven Hubbes: Ja, und zwar vor allem lokale Incentives. Da gibt es viele Möglichkeiten, das Verhalten zu lenken, beispielsweise, indem Städte mit dem lokalen Einzelhandel kooperieren und eine klimaschonende Anreise incentivieren.
RegioSignaleBlog: Bietet Ihr Euren Kunden dann so etwas wie eine lokalisierte White Label Version an?
Sven Hubbes: Gerade nicht. Für uns war von Anfang an klar, dass wir die App deutschlandweit einsetzen wollen und nicht mit einer Stadt oder einem Verkehrsverbund beginnen möchten, um dann langsam herauszuwachsen. Deshalb bieten wir auch keine White Label Lösungen oder lokalisierte Versionen an. Das ist auch gar nicht nötig, weil die App trotzdem individuelle Kooperationen mit einzelnen Städten, Verbünden oder Verkehrsunternehmen ermöglicht und für alle Player im Ökosystem der Mobilitätswende offen ist …
RegioSignaleBlog: … und sich als deutschlandweit verfügbare Plattform für Kampagnen anbietet, die Städtemarketing mit nachhaltiger Mobilität verknüpfen?
Sven Hubbes: Mit der Lynes App kann man mittlerweile auch in Österreich, der Schweiz und offensichtlich sogar in Belgien Punkte sammeln. Gestern hat mir jedenfalls jemand geschrieben „Hey, ich bin gerade in Brüssel und die App zählt meine Schritte.“ Die Nutzer und Nutzerinnen freuen sich, dass sie in all diesen Ländern Punkte sammeln können. Für Städte, Händler, Verkehrsverbünde und andere ist unsere App vor allem ein Tool, um Marketingaktionen zu starten oder das Thema Gamification voranzutreiben. Denn dafür schaffen wir als Softwareunternehmen mit der Lynes App die nötigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen.
RegioSignaleBlog: Hat denn schon ein Verkehrsverbund angebissen?
Sven Hubbes: Bisher waren Verbünde vor allem daran interessiert, unser Punktesystem in ihre eigene App zu integrieren. Manche haben auch kritisiert, dass wir nicht den Ticketumsatz, sondern die zurückgelegten Kilometer belohnen. Ich glaube aber, dass mittlerweile die meisten verstanden haben, dass es nicht um Tickets, sondern um klimaschonende Mobilität insgesamt geht. Nach unserem Auftritt in „Die Höhle der Löwen“ haben wir jedenfalls deutlich mehr Nutzer und sind zuversichtlich, dass wir bald unseren ersten Use Case verwirklichen können. Zumal die App mit Blick auf den Modal Split viele spannende Insights bietet.
RegioSignaleBlog: Ihr arbeitet seit Ende 2019 an der Lynes App. Wie habt ihr die Entwicklung der ÖPNV-Branche in dieser Zeit erlebt?
Sven Hubbes: Wir haben den Eindruck, dass das 9-Euro-Ticket ein Weckruf für die Branche war und sich jetzt viele Player neu organisieren. Gleichzeitig sind die Themen Klimaschutz und Mobilität gesellschaftlich viel präsenter als 2019. Dass es jetzt das Deutschland-Ticket gibt, tut nicht nur der Branche gut. Es ist auch ein Gewinn für die Mobilität in Deutschland insgesamt – und das ist eigentlich, worauf wir alle hinarbeiten.