Interview: Laslo Seyda
Herr Mundt, Sie sind vieles: Schauspieler, Filmemacher, Fotograf – aber kein Verkehrsexperte. Wie kam es dazu, dass Sie Host eines Podcasts über den ÖPNV geworden sind?
Maximilian Mundt: Das war ehrlich gesagt ziemlich spontan. Als die Anfrage kam, habe ich das gar nicht groß hinterfragt, ob ich die richtige Besetzung für diese Rolle bin. Aber genau darum geht‘s ja: Der Podcast soll zeigen, was der ÖPNV mit uns allen zu tun hat. Jeder hat seine Geschichte damit. Ich muss also nicht Experte sein, kann da ganz naiv rangehen. Ich darf entdecken, nachfragen, lernen. Mich hat wirklich überrascht, wie viel ich selbst noch nicht wusste und wie sehr mich das doch fasziniert hat. Es war wie eine Reise zu einem Thema, das so alltäglich ist, dass man es leicht übersieht. Während der Produktion des Podcasts habe ich eine ganze neue Seite an mir kennengelernt.
Was verbindet Sie denn persönlich mit dem Thema Nahverkehr?
Maximilian Mundt: Ich bin in Hamburg-Schnelsen aufgewachsen, also am Stadtrand. Weil meine Eltern viel gearbeitet haben, konnte mich niemand zur Schule fahren. Typisches Schlüsselkind. Also bin ich schon in der ersten oder zweiten Klasse allein mit dem Bus gefahren. Linie 183, direkt vor unserer Haustür, ich musste noch nicht einmal die Straßenseite wechseln. Das war gut, weil ich ein ängstliches Kind war, immer der Kleinste. Ich weiß noch, wie aufregend das damals war, wenn ich mit meinem Schulranzen, der fast so groß war wie ich, in diesen riesigen Bus eingestiegen und zwischen all den Erwachsenen verschwunden bin. Das war super aufregend, manchmal auch überfordernd.
Wie hat Sie das Mobilitätsverhalten Ihrer Eltern geprägt?
Maximilian Mundt: Mein Papa ist gelernter Kfz-Mechaniker, hat sich irgendwann selbstständig gemacht als Taxifahrer, später einen Limousinenservice gegründet. Klar, dass der Vater seine Autos geliebt hat. Die mussten immer sauber sein. Ich fand den Geruch von frischem Leder immer schrecklich, mir ist beim Autofahren ständig schlecht geworden, ich habe meinem Papa fast immer ins Auto gespuckt. Da war der Bus das bessere Verkehrsmittel für mich. So viel waren wir aber auch nicht unterwegs, weil der Stadtrand so schlecht angebunden war. Und wenn meine Eltern dann mal frei hatten, haben wir lieber die gemeinsame Zeit zu Hause genossen. Der Weg zur Schule war die längste Station, die ich gefahren bin. Die ersten Ausflüge in die Innenstadt habe ich dann tatsächlich erst mit 17 oder 18 Jahren gemacht, zum Schanzenflohmarkt oder Bubble Tea kaufen in der Europa-Passage am Jungfernstieg. 20 Minuten musste man mit dem Bus fahren, um dann noch einmal 20 Minuten mit der Bahn zu fahren. Eine absurd lange Strecke. Aber es war meine erste Form von Freiheit. Ich mag einfach dieses Gefühl des Unterwegsseins. Musik auf die Ohren, aus dem Fenster gucken, Welt beobachten: Das hat was Kinohaftes. Da kommt man sich vor wie die Hauptfigur im eigenen Film vor.
Und heute? Sind Sie lieber mit dem Auto unterwegs?
Maximilian Mundt: Kommt darauf an. Ich habe einen Führerschein. Bei uns in der Nachbarschaft gehörte das einfach dazu. Und beim Filmstudium war der auch super hilfreich, weil von meinen Kommiliton:innen niemand Auto fahren konnte und wir ständig Kameratechnik und Beleuchtung transportieren mussten. Wenn ich heute mal Auto fahre, mag ich das schon sehr, weil es so selbstbestimmt ist. Du kannst einfach irgendwohin hinfahren und einen See ansteuern, wo sonst kaum ein Mensch hinkommt. Das mach ich aber alles mit Carsharing. Ein eigenes Auto habe ich nicht. Und in der Stadt hasse ich Autofahren. Dieses ständige Stop-and-Go, die ewige Parkplatzsuche, das nervt total.
Sie wohnen in Eimsbüttel, einem der am dichtesten bevölkerten Stadtteile von Hamburg. Viele Menschen und Autos, wenig Lebensraum. Wie erleben Sie das Viertel dort?
Maximilian Mundt: Ich finde, die vielen Autos ruinieren das Stadtbild! In Eimsbüttel stehen so viele schöne alte Häuser und Autos haben auch nicht mehr den Charme, den sie vor 40 oder 50 Jahren hatten. Die sehen aus wie chromglänzende Kartoffeln: alle gleich, keine Ecken, keine Kanten. Wie schön das hier aussehen würde, wenn die alle weg wären. Ich finde, wir sollten uns trauen, Plätze anders zu denken. Weniger Blech, mehr Leben. Und man sieht ja auch, dass es auch ohne Auto geht: Bei uns in der Straße wurden gerade Fernwärmeleitungen verlegt, da waren von jetzt auf gleich alle Parkplätze weg – und das für mehrere Monate. Aber: Fortbewegung klappt auch so. Dann muss man das Fahrrad nehmen, den E-Scooter oder halt den Bus. Im Zweifel bist du damit genauso schnell in der Stadt. Und wie geil wäre es, wenn Straßen nach solchen Bauarbeiten einfach mit Bänken statt Autos ausgestattet werden? Leider tun sich die Leute sehr schwer mit solchen Veränderungen.
In Verlauf des Podcasts treffen Sie viele unterschiedliche Menschen, die ihre ganz eigene Beziehung zum Thema Mobilität haben. Was hat Sie dabei am meisten überrascht?
Maximilian Mundt: Die Rolle und die Bedeutung, die der öffentliche Nahverkehr hat, waren mir vorher gar nicht so bewusst. Dabei sind die Öffis ein krasser Spiegel. Wer da so zusammenkommt, was man da alles hört, was man da sieht – das erzählt oft mehr über unsere Gesellschaft als jede Talkshow. Wenn man sich in Bus und Bahn setzt, bekommt man wirklich mit, wie es den Menschen gerade so geht, was sie wirklich bewegt. Was mich aber besonders gepackt hat, waren nicht die Gespräche über Technologien, sondern über die Erlebnisse, Erinnerungen und Wünsche.
Manche Menschen fahren nur ungern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Zu voll, zu stressig, zu dreckig, heißt es dann gerne. Haben Sie schonmal schlechte Erfahrungen gemacht?
Maximilian Mundt: Vor ein paar Jahren hatte ich mal Ärger mit zwei betrunkenen Typen. Die dachten, ich hätte sie blöd angeschaut, haben mich gegen die Wand gedrückt. Da dachte ich echt: Das war’s. Zum Glück ist dann ein Freund von denen dazwischen gegangen. Aber solche Momente prägen. Ich habe aber auch generell das Gefühl, dass die Menschen oft rücksichtsloser geworden sind. Viele haben vielleicht das Gefühl, dass sie in letzter Zeit immer nur zurückstecken mussten – während der Pandemie, während der Energiekrise und der ernsten Lage in der Welt. Das schlägt sich dann auch in Bus und Bahn nieder. Es wird gerempelt, gedrängelt, geschimpft. Ich finde, wir sollten wieder mehr aufeinander achten. Der ÖPNV ist schließlich ein kollektiver Raum. Wir sitzen doch alle im selben Boot – oder eben im selben Wagon.
Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit der ÖPNV noch mehr genutzt wird?
Maximilian Mundt: Mich hat überrascht, wie komplex die Organisation unseres Nahverkehrsnetzes ist. Irre bürokratisch! Das muss doch einfacher gehen – ein System, eine App, ein Ticket. Ich glaube auch nicht, dass die Öffis an sich cooler oder hipper werden muss. Die eigentliche Frage ist: Wie holen wir die ab, die im eigenen Auto immer noch ihre Freiheit sehen? Für die müssen wir Bus und Bahn attraktiver machen: günstig, flexibel und vor allem gut ausgebaut. Luxemburg hat es gerade erst vorgemacht und den Nahverkehr für alle kostenlose gemacht. Damit könnte man bestimmt viele Menschen überzeugen!
Mal angenommen es gäbe einen kostenlosen Nahverkehr und Sie hätten ein „Ticket to Anywhere“: Wohin würde die Reise gehen?
Maximilian Mundt: Ich glaube, ich würde einfach mal die Endstationen hier in Hamburg abklappern. Poppenbüttel, Mümmelmannsberg, Wedel, Sasel: Diese legendären Orte, die man immer auf der Anzeige liest, an denen ich aber noch nie war. Einfach mal gucken, was da so ist. Und wenn da nicht ist, einfach wieder umdrehen. Das ist ja das Schöne am ÖPNV: Man kann immer weiterfahren.
Maximilian Mundt, 29, wurde einem breiten Publikum mit der Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ bekannt. Hier spielt er einen nerdigen Teenager Moritz, der in seinem Kinderzimmer ein Drogenimperium hochzieht und viel Fahrrad fährt, meistens im Regen. Im echten Leben bevorzugt Mundt den E-Scooter zum Ausleihen. Der Fahrtwind tut gut, sagt er, das fehlt ihm manchmal in den Öffis. Außerdem könne man noch jemanden mitnehmen. Außerdem können die Scooter nicht so leicht geklaut werden wie die drei Fahrräder, die Maximilian Mundt während seiner Zeit in der WG in Eimsbüttel abhanden gekommen sind. Alle Infos zu „Ticket to Anywhere“ findet Ihr hier.