Lesedauer: 4 Minuten

Interview: Die Straße zum Erfolg

Linienbusse und On-Demand-Verkehre sind für DB Regio Bus-Vorstand Frank Klingenhöfer zwei Seiten derselben Medaille. Denn zusammen sorgen sie für ein besseres Verkehrsangebot.

RegioSignaleBlog: Ab 2023 treten DB Regio Bus, CleverShuttle und ioki gemeinsam als DB Regio Straße auf. Warum und was muss man sich darunter vorstellen? 

Frank Klingenhöfer: Mit DB Regio Straße binden wir zusammen, was wir im DB-Konzern an Know-how und Kapazität haben, um unseren Fahrgästen und Aufgabenträgern im ÖPNV auf der Straße attraktive Konzepte und Verkehrsleistungen bieten zu können. DB Regio Bus betreibt umfangreiche Linienbus- und Schülerverkehre, CleverShuttle bringt mit seinen Fahrzeugen, Fahrerinnen und Fahrern On-Demand-Verkehre auf die Straße und steuert sie komplett digital, ioki erstellt Mobilitätsanalysen und entwickelt die digitalen Lösungen für die ganze ÖPNV-Branche, die den Zugang zu effizientem Ridepooling und On-Demand-Verkehren ermöglichen. Alle drei Partner kommen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, arbeiten aber am selben Thema, nämlich einem erfolgreichen straßenbasierten ÖPNV.  Wenn wir die bereits seit einiger Zeit bestehende Zusammenarbeit nun mit DB Regio Straße unter ein gemeinsames Dach bringen, können wir im Rahmen dieser Kooperationspartnerschaft noch besser aufeinander abgestimmt arbeiten und gemeinsam mehr für eine besseres Mobilitätsangebot und damit für Verkehrsverlagerung erreichen.

RegioSignaleBlog: Eine wesentliche Erkenntnis der Fraunhofer-Studie „Mobilitätswende 2030“ lautet, dass der ÖPNV gerade in der Fläche ein vielfältiges und abgestimmtes Angebot aus Linien- und On-Demand-Verkehren bieten muss. Ist die neue Aufstellung eine Antwort darauf? 

Frank Klingenhöfer: Das ist so. Außerhalb der Schülerverkehrszeiten, auf die sich heute das Angebot in der Fläche häufig konzentriert, ist der Fahrplan meist dünn. Die vorhandenen Busse werden nur wenig genutzt, weil ein rudimentäres Angebot einfach nicht den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Das hat gerade auch wieder die Umfrage des Instituts KANTAR im Auftrag von Allianz pro Schiene, BUND und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat ergeben. Zugleich stehen die Aufgabenträger vor der Herausforderung, eine nachhaltige Verkehrsverlagerung zu organisieren. Der ÖPNV auf der Straße muss seinen Beitrag leisten und kann das auch, wenn On-Demand-Verkehre den Linienverkehr ergänzen, wenn beides als geschlossenes Angebot gut verknüpft wird, einschließlich Echtzeitinformationen und Einbindung in die jeweiligen Verbundtarife. Wir haben die Analysetools für die Verkehrskonzepte, die digitalen Lösungen für das Ridepooling, wir betreiben On-Demand-Verkehre und sind im Linienverkehr in ganz Deutschland Partner der Verbünde, Kreise und Kommunen. Wir bieten die Komponenten einzeln und nebeneinander an, wir bieten sie aber auch aus einer Hand an. Wir zeigen, dass wir ein deutlich besseres Gesamtangebot auf die Straße bringen können, das zueinander passt.

RegioSignaleBlog: Es gibt inzwischen eine stattliche Zahl von On-Demand-Verkehren, die allerdings in der Regel sehr lokal aufgestellt sind. Müsste das Thema nicht großräumiger angegangen werden, damit für die Fahrgäste verlässliche Angebotsstrukturen entstehen? 

Frank Klingenhöfer: Ich bin überzeugt, dass wir aus dem Lokalen heraus in größeren Räumen denken müssen, in ganzen Verkehrsgebieten. Egal ob jemand in der Stadt oder auf dem Land wohnt, muss er oder sie die Erfahrung eines ÖPNV-Angebots machen können, das zum Umsteigen einlädt. Das haben wir heute nicht, das hatten wir im Grunde noch nie. Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen. Damals fuhr dort kein junger Mensch mit dem Bus in die Disco und heute fährt da keiner mit dem Bus in den Club. Man lässt sich von Jemandem mitnehmen, der den Führerschein hat und fährt irgendwann selbst Auto. So sind wir sozialisiert, genau da muss sich auch was ändern. Aber das geht nur mit einem Angebot, das mit dem Auto mithalten kann. Was dafür nötig ist, gibt es alles. Wir müssen nichts neu erfinden, wir müssen es nur tun. Allerdings sind wir im ÖPNV in einer sehr kleinteiligen Welt unterwegs. Viele On-Demand-Angebote werden mit maximal zehn Fahrzeugen betrieben, oft sind es auch nur fünf. Das ist sicher ein Anfang. Aber es bedeutet im Grunde nicht viel mehr, als an ein ÖPNV-Angebot, das nicht sonderlich attraktiv ist, ein Schleifchen dranzubinden. Jetzt muss es darum gehen, das auf eine höhere Stufe zu heben, mit digitalen und übergreifenden Lösungen. 

RegioSignaleBlog: Als ein Schlüssel für attraktive Angebote in der Fläche gelten Mobilitätshubs, die Linien- und On Demand-Verkehre systematisch verzahnen und mit anderen Mobilitätsangeboten wie Carsharing, Bikesharing oder Fahrradboxen ergänzen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung? 

Frank Klingenhöfer: Als Ankerpunkt für integrierte Mobilität in der Fläche können Mobilitätshubs ein Erfolgsfaktor der Verkehrswende sein. Das hat die Fraunhoferstudie gezeigt, und das Verständnis dafür ist bei den Aufgabenträgern, Kommunen und Mobilitätsanbietern auch da – aber leider ist es noch Theorie. Der Schritt in die Praxis können Show Cases sein. Wir helfen mit, dass das gelingt, führen Gespräche, haben Veranstaltungen zu diesem Thema angeboten und werben für die Idee. Mobilitätshubs sind ja im Grunde nichts anderes als Verknüpfungspunkte in Unter- und Mittelzentren, die sich als Ziel- und Umstiegspunkte eignen. Sie bieten sich zudem auch als Verknüpfungspunkt zwischen Mobilitätsangeboten und Flächenversorgung an. Solche Hubs können Start- und Endpunkte für unsere Medibusse oder andere Modelle sein, die Infrastruktur mobil zu den Menschen bringt.

RegioSignaleBlog: Welches Potenzial haben autonome Shuttles für den ÖPNV? 

Frank Klingenhöfer: Mit autonomen Shuttles verschieben sich die Kosten und die Einsparungen schaffen Spielraum für die Verbesserung des Angebots. Das kann ein echter Game Changer im ÖPNV sein. Wir betreiben schon seit 2017 in Bad Birnbach autonome Shuttles und waren damit Pionier in Deutschland, in der Shuttle Modellregion Oberfranken sind wir einer der Partner. Den Schritt von mehr oder weniger modellhaften Anwendungen mit geringen Fahrgeschwindigkeiten zu einem vollwertigen Verkehrsangebot gehen wir im nächsten Jahr in Offenbach und Darmstadt, wo wir in Kooperation mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund und den Partner Kreisverkehrsgesellschaft Offenbach und mit HEAG mobilo aus Darmstadt die erste vollständig in den Regelbetrieb des ÖPNV integrierte autonome Shuttle-Flotte auf Level 4 realisieren. 

RegioSignaleBlog: Egal ob Kraftstoff oder Strom, Energie ist teuer und treibt die Kosten für Autofahrerinnen und Autofahrer auf ein bisher nicht gekanntes Niveau. Bedeutet das auch neue Chancen für die klassischen Linienverkehr? 

Frank Klingenhöfer: Die hohen Kosten des Individualverkehrs sind tatsächlich ein gesellschaftliches Problem. Dass die Kostensprünge für Autofahrerinnen und Autofahrer ein Anreiz zum Umsteigen in den Buslinienverkehr sein können, ist zwar grundsätzlich richtig. Aber dafür muss es auch ein Verkehrsangebot geben, das eine Alternative zum Auto darstellt. 70 Prozent der Fahrgäste in unseren Linienbussen sind heute Schülerinnen und Schüler. Das bedeutet: Nur eine Minderheit unserer Kundinnen und Kunden nimmt den Bus bewusst als Option der Verkehrsmittelwahl in Anspruch. Wenn wir das ändern, dann haben wir etwas erreicht. Und das bedeutet eben mehr integrierte Verkehre, die Verknüpfung von On-Demand-Angeboten mit dem Linienverkehr. Davon profitieren der klassische Linienverkehr, das Gesamtsystem ÖPNV und vor allem die Bürgerinnen und Bürger. 
 

Weitere Beiträge