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Das hat den ÖPNV bewegt

Was, schon vorbei? Tatsächlich, das Jahr ist so gut wie Geschichte. Langweilig war es nicht – im Gegenteil: 2025 wird als höchst bewegtes Jahr im Gedächtnis bleiben

Text: Carsten Hänche

Es begann mit einem Aufatmen: Die Sanierung der Riedbahn, Blaupause für alle kommenden Korridorsanierungen, ging im Januar zu Ende. Für Mobilität während der Vollsperrung zwischen Frankfurt am Main und Mannheim hatten immense Umleitungs- und Ersatzverkehre auf Schiene und Straße gesorgt. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Fahrgäste kamen gut zurecht, die Kundenzufriedenheit war hoch.

Das machte Mut für die am 1. August begonnene Generalsanierung zwischen Hamburg und der Hauptstadt, wo man zu Jahresbeginn 2025 allerdings noch ganz andere Sorgen hatte: Im politischen Berlin war der vormaligen Ampelkoalition die Farbe Gelb abhandengekommen. Die Neuwahl des Bundestags wurde für den 23. Februar terminiert. In den kurzen Winterwahlkampf hinein adressierte die Branche ihre Forderungen: Endlich eine verlässliche ÖPNV-Politik und ein Ende der zunehmend prekären Finanzsituation. Als die Stimmen ausgezählt waren und Schwarz-Rot als neues Regierungsbündnis feststand, konnte die Branche mit dem verkehrspolitischen Teil des Koalitionsvertrags gut leben. „Die Richtung stimmt“, stellte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fest.

Das Momentum nutzte ZUKUNFT NAHVERKEHR mit einem verkehrspolitischen Hauptstadtdialog am 14. Mai in Berlin – gerade einmal eine Woche nach der Vereidigung des neuen Verkehrsministers Patrick Schnieder. Der nächste Aufschlag war das Leistungskostengutachten des VDV im Juni. Mit Blick auf die kommenden politischen Entscheidungen zeigte es für den Zeitraum bis 2040 nicht nur auf, wie viele Mittel nötig sind, damit der ÖPNV seinen Leistungsstand beibehält („Modernisierungsszenario“, zusätzlich 1,44 Milliarden Euro pro Jahr). Es berechnete ebenfalls die Summe, mit der der ÖPNV grundlegend verbessert werden kann (Szenario „Deutschlandangebot“, zusätzlich 3,36 Milliarden Euro pro Jahr). „Wer ein leistungsfähiges, flächendeckendes und sicheres Angebot will, muss heute die Weichen dafür stellen“, unterstrich VDV-Präsident Ingo Wortmann. „Mit dem Deutschlandangebot zeigen wir, was möglich ist – mehr Linien und flexible Angebote, kürzere Takte, besser erreichbare Regionen. Dafür braucht es aber den politischen Willen und entsprechende Finanzmittel.“ Dass es sich volkswirtschaftlich rechnet, in den ÖPNV zu investieren, hatte kurz zuvor eine Untersuchung von Studie von MCube Consulting im Auftrag von ZUKUNFT NAHVERKEHR mit Zahlen unterfüttert: Für einen investierten Euro kommen drei Euro Wertschöpfung zurück.

Was der ÖPNV kann, wenn man ihn lässt, demonstrierten auch die beiden großen Branchenevents des Jahres 2025. Der weltweite UITP-Kongress fand im Juni in Hamburg statt, und im September setzte ZUKUNFT NAHVERKEHR bei der IAA Mobility in München die „ÖPNV-Erlebniswelt“ in Szene. Auch bei konkreten Innovationen ging es voran, zum Beispiel beim autonomen Fahren.

Im Juni startete KIRA, das deutschlandweit erste Projekt für den autonomen ÖPNV auf der Stufe Level 4, im Rhein-Main-Gebiet den Betrieb mit Fahrgästen. Und das Modellprojekt SMILE24 zur integrierten Mobilität glänzte mit beeindruckenden Zahlen: 50 Prozent mehr Fahrgäste und Bestnoten bei den Reisenden in der Schlei-Region. Nach dem Auslaufen der Förderung durch den Bund zum Jahresende 2025 wollen das Land Schleswig-Holstein und die beteiligten Landkreise das Angebot nun mit angepasstem Leistungsumfang fortführen. Ebenfalls ein Erfolg: Im Herbst startete die Modellregion Saarland für integrierte Mobilität.

Dass und wie es mit dem Deutschland-Ticket weitergeht, stand am 18. September endgültig fest. Harmonisch und geräuschlos hatte sich die Verkehrsministerkonferenz geeinigt. Was lange währt, wurde endlich gut: Das Ticket bleibt auf jeden Fall bis 2030 bestehen, Bund und Länder tragen weiter mit jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Finanzierung bei. Der Ticketpreis steigt 2026 auf 63 Euro und wird nach einem Kostenindex jährlich angepasst. „Durch die langfristige Absicherung eröffnen sich große Chancen für das Ticketangebot“, sagte Verkehrsminister Schnieder und dankte allen Akteuren.

Bereits vier Tage später drängte ein anderes Branchenthema die Einigung beim Deutschland-Ticket in den Hintergrund: die „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“, die Verkehrsminister Schnieder der DB AG in Berlin präsentierte. Zentrale Botschaft: Es braucht einen Neuanfang – inhaltlich, personell und strukturell. Die DB müsse wieder zuverlässiger und wirtschaftlicher werden. Dafür stellt sich der Bund als Eigentümer auch selbst in die Verantwortung, will wirksam steuern, die Umsetzung beschleunigen und Gemeinwohlorientierung stärken. Schnieder: „Die Bahn muss funktionieren. Die Bahn ist für die Menschen da!“

Dem Konzern verordnete der Bundesverkehrsminister gestraffte Strukturen und eine Konzentration aufs Kerngeschäft. An die Spitze der DB berief der Aufsichtsrat Evelyn Palla, die bis dahin DB Regio geleitet hatte. Stellvertretend für andere Branchenverbände kommentierte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, die bahnpolitische Neuausrichtung mit den Worten: „Es ist eine gute Nachricht für alle Bahnreisenden in Deutschland, dass wir mit dem heutigen Tag erstmals seit 30 Jahren schwarz auf weiß haben, welche strategischen Eckpfeiler der Bund für den Schienenverkehr in Deutschland setzt.“

Dass diese gute Nachricht passend zum 25-jährigen Bestehen der Allianz pro Schiene kam, hat der Lobbyverband mehr als verdient. Seit inzwischen acht Bundesregierungen setzt er sich für den Eisenbahnverkehr ein und mahnt insbesondere den Ausbau und die Modernisierung des Netzes an. Zu Recht, denn auch 2025 haben die vielen Baustellen im Netz die Eisenbahnunternehmen extrem belastet und die Nerven der Fahrgäste sowie des Personals ziemlich strapaziert. Allerdings: Die Wende ist eingeleitet. Bis 2035, so steht es in der Eisenbahn-Agenda des Bundes, soll das Netz saniert und fit für den Deutschland-Takt sein.

An die Verantwortung der Nah- und Fernverkehrsunternehmen erinnerte auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter, als bei einem Empfang der Bayerischen Staatsregierung in Nürnberg das Jubiläum der ersten Zugfahrt in Deutschland feierte: Am 7. Dezember 1835 dampfte der „Adler“ mit neun angehängten Wagen und rund 200 Ehrengästen von Nürnberg nach Fürth. „190 Jahre Eisenbahn stehen für eine große Tradition – aber vor allem für den Auftrag, Mobilität immer wieder neu zu denken“, sagte Bernreiter. „Bund und Bahn müssen an diese Tradition anknüpfen und daran arbeiten, dass sich spätestens zum 200-Jahr-Jubiläum die Bahnnation Deutschland kraftvoll zurückmeldet.“

Die Weichen sind gestellt. Jetzt kommt es darauf an, Fahrt aufzunehmen. Wie das gelingt, wird sich zeigen – beim Jahresrückblick 2026.

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